Die 3 Zentren des Menschen

Im Wing Tsun Universe, der WTU verwenden wir im WTU Wing Tsun neben den asiatischen Philosophien Taoismus, Konfuzianismus und Chan/Zen hauptsächlich die Begriffe Bewegungszentrum, Denkzentrum und Gefühlszentrum. Weshalb? 

 

Die drei asiatischen Philosophien sind keine Religionen, obwohl sie oft mit einer religiösen Begrifflichkeit versehen werden. Das wurde durch die ersten Übersetzungen verursacht, die von dem protestantischen Pastor Richard Wilhelm verfasst wurden. Er verwendete mangels anderer Begriffe christliche Vokabeln. Das hatte zur Folge, dass diese Ideen mit Inhalten versehen wurden, die im Original nicht vorhanden waren. Heute werden diese Klischees stark bedient und bewirtschaftet. Hier erkennt man die Problematik, wenn man aus einem Kulturkreis und/oder einer anderen Zeit Materialien in ein anderes Umfeld zu importieren beginnt.

  

Ich selbst bezeichne diese drei asiatischen Lehren gerne als aktive Philosophien. Wieso aktive Philosophien? Weil in ihnen mehr oder weniger Übungen oder Anleitungen für Bewegen, Denken und Fühlen vorhanden sind, die westlichen Philosophien in der Regel fehlen. 

 

In vielen Bereichen wurden oder werden diese drei aktiven Philosophien in Asien in unterschiedlicher Mischung praktiziert. Das ist eine sehr persönliche Auswahl jedes Menschen.

Grob gesagt sind in allen drei Philosophien die drei Aspekte bewegen, denken, fühlen mit unterschiedlichem Schwerpunkt vorhanden.

 

Der Taoismus hat seinen Schwerpunkt im Bewegen: alles ist in permanenter Veränderung.

Der Konfuzianismus hat seinen Schwerpunkt im Denken: in Strukturen und Regeln.

Den Chan/Zen mit seinen Schwerpunkten: Aufmerksamkeit, Achtsamkeit reihe ich gerne in den Gefühlsbereich ein.

 

Doch in Asien führten die drei Wege wie immer auch zu degenerierten Auswüchsen. Der Taoismus wurde zum Zweckopportunismus, der Konfuzianismus zum undurchdringbaren bürokratischen Regelsystem und der Chan Buddhismus zur Flucht aus dem Leben.

 

In der WTU benutzen wir drei Begriffe und ein dazugehöriges Motto: 

  • Bewegungszentrum - Schule des Augenblicks
  • Denkzentrum - Wissenschaft der Bewusstheit
  • Gefühlszentrum - Weg mit Herz

Wing Tsun/Wing Chun entstand in unserer Überlieferung nicht im fernen Osten. Es wurde als Idee geschaffen und gelangte über Werkstätten dort hin. Selbst der Name, den man ihm dort gab, weist ein wenig darauf hin. Wing Tsun - Schöner Frühling oder Ode an den Frühling. Der Frühling ist die Jahreszeit, in der nach einem kalten Winter alles neu zu erblühen beginnt. Welch ein schönes Bild für unsere Kampfkunst.

 

Gurdjieff, selbst in den Bewegungskünsten ausgebildet, brachte die Begrifflichkeit der drei Zentren im letzten Jahrhundert zum ersten Mal in den Westen. Sie waren bis dahin hier praktisch unbekannt. Es gab nur sehr verwässerte, nicht entsprechende Umschreibungen, wie unter anderem Körper, Seele, Geist und neuerdings auch Energie, Seele und Geist. Diese sind in diesem Zusammenhang aber gänzlich unangebracht. Gurdjieff hatte sie nicht erfunden, sondern erhielt sie aus jener Quelle im Rahmen seiner Schulung, die ihn für seine Aufgabe vorbereitetet und, der auch die Wurzel des Wing Tsun/Wing Chun entsprang.

Was bedeuten nun die Begriffe, Bewegungszentrum, Denkzentrum, Gefühlszentrum?

  

Die drei Zentren/Gehirne

Die drei Zentren und Gehirne werden bildlich mit drei Körperregionen verbunden. Die drei Zentren müssen mit Nahrung versorgt werden.

 

Die drei Zentren sind in der Regel unterschiedlich entwickelt. Das gilt sowohl für das Individuum, als auch für Kulturen.

 

Wir alle kennen Kulturen, die den Rhythmus im Blut haben, also ein unglaublich geschultes Bewegungszentrum, um das wir sie beneiden.

 

Die westliche Kultur hat ihren Schwerpunkt offensichtlich im Denkzentrum mit all den positiven wie negativen Folgen.

 

Das Bewegungszentrum – Die Schule des Augenblicks

Das Bewegungszentrum wird in Asien als Hara bezeichnet. Es liegt im Bereich des Sonnengeflechts (Zwerchfell/Bauch). Es weist darauf hin, dass alle Bewegungen aus der Körpermitte kommen sollten, dem Schwerpunkt des Köpers und nicht aus einem schweren Kopf. 

Damit wir das Bewegungszentrum mit hochwertiger „Nahrung“ versorgen können, benötigen wir hochqualitatives Ansteuerungstraining, Schulung des Tastsinnes am ganzen Körper, etc., wie zum Beispiel im WTU Wing Tsun.

 

Meist wird es aber nur mit gröbster „Nahrung“ versorgt.

 

Warum Schule des Augenblicks? Im Gegensatz zum Denkzentrum befindet sich das Bewegungszentrum immer im Hier und Jetzt. Es kennt keine Zukunft und keine Vergangenheit.

 

Aus dem Grund ist die Vernetzung und Kommunikation mit dem Denkzentrum meist sehr mangelhaft.

 

Das Denkzentrum – Die Wissenschaft der Bewusstheit

Das Denkzentrum, unser Gehirn, ist eigentlich ein Interpretationszentrum. Es verarbeite die Sinneseindrücke aufgrund von Mustern und erlernten Interpretationen. Es hinkt also der Wirklichkeit im Hier und Jetzt hinterher und hat eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung.

 

Meist ist uns nicht klar, dass wir nur wahrnehmen können, was wir wahrzunehmen gelernt haben. Wir

verwechseln das dann oft mit der Wirklichkeit.

 

Hier haben wir es mit den Denkmustern, Konditionierungen, Prägungen und Identifizierungen des Menschen zu tun. Deshalb ist die Nahrung etwas, das uns hilft uns aus dem Netz der gedanklichen Beschränkungen zu befreien.

 

Warum nun Wissenschaft der Bewusstheit? Wenn man eine Grunddefinition des Menschen geben könnte so diese, dass wir alle wahrnehmende Wesen sind. Doch ist Wahrnehmung auch gleichzeitig Bewusstsein? Nein. Bewusstsein ist, wenn wir uns selbst als Wahrnehmende bewusst sind. Doch wie oft sind wir das? Nur in sehr wachen Momenten unseres Lebens. Sonst befinden wir uns im Halbschlaf, im inneren Dialog etc.

 

Auf dieser Grundlage sollte man auch den Begriff „Selbstbewusstein“ definieren.

 

Das Gefühlszentrum – Der Weg mit Herz

Das Gefühlszentrum, der Weg mit Herz ist mit dem Herzen verbunden. Aus diesem Grund ist das Herz ja auch in der ganzen Welt ein Symbol für die Liebe.

 

Hier sollte man noch grundlegend unterscheiden zwischen Emotionen und Gefühlen. Emotionen sind im günstigsten Fall eine Vorstufe. Meist gehören sie aber dem instinktiven Teil des Bewegungszentrums an.

 

Gefühle haben im Gegensatz zu Emotionen kein Gegenteil, obwohl das oft so gesagt wird.

Aus Liebe kann nicht Hass werden, sonst war es keine Liebe.

 

Nahrung für das Gefühlszentrum sind Beziehungen, Freundschaft, Kreativität in jeder Form und Reisen.

 

 

Die Vernetzung der drei Zentren

Es ist aber nicht nur die Entfaltung der einzelnen Zentren notwendig, sondern genauso wichtig ist ihre neuronale Vernetzung, da sie sonst nicht ausreichend miteinander kommunizieren können. 

 

Die drei Zentren im Wing Tsun Universe (WTU)

In der WTU liegt der Schwerpunkt der Übung beim WTU Wing Tsun natürlich im Bewegungszentrum. In der theoretischen Schulung unserer Lehrer- (LotG - Leader of the Group-) Ausbildung legen wir in den UNI Denkzentrumskursen den Schwerpunkt auf das Denkzentrum.

 

Dem Gefühlszentrum tragen wir mit unseren Festseminaren, Reisen und künstlerischen Aktivitäten Rechnung. Auch die Beziehungsebenen des WTU Wing Tsun, Lehrer/Schüler, Schüler/Lehrer, Trainingspartner/Trainingspartner, Geschäftspartner/Geschäftspartner sind diesem Bereich zuzurechnen.

 

Das alles ist nur ein kleiner Abriss zu diesem Bereich, dem weitere folgen werden. Ans Ende setze ich zum Nachdenken die bildliche Erklärung die Gurdjieff gerne verwendete:

 

Die Kutsche -  Bewegungszentrum

Die Pferde - Gefühlszentrum

Der Kutscher - Denkzentrum

Das Geschirr - Vernetzung der Zentren

Der Fahrgast - Das „Bewusste ICH“

 

SALVE

Si-Fu / Si-Gung 

GM Alfred Johannes Neudorfer